Kapitel 6: Alte Miula

Weil ihr Schritt so beherzt war und ihre Vorfreude sie antrieb waren sie die ganze Nacht durchgelaufen und schon früh am nächsten Morgen waren sie bei den glitzernden Lofmega-Wäldern. Saria war so voller Staunen und Verzückung, daß sie erstmal stehen blieb und nur mit großen Augen umher schauen konnte. Andere Worte als ‘So schön!’ waren längere Zeit nicht von ihr zu hören. Milo allerdings fielen einige kleinere Dinge an den Bäumen auf, die den Schluß zu ließen, daß es Veränderungen gab, die den Lofmega nicht bekamen. Überall waren häßliche, braune Flecken zu sehen und die Oberfläche schien ein wenig abzublättern. Es waren aber nur kleine Stellen an wenigen Bäumen, die meisten glänzten noch in ihrer ganzen Pracht. Milo kannte nur vereinzelte Lofmegas, die einige aus seinem Dorf gepflanzt hatten. Hier aber standen sie dicht an dicht, es war manchmal richtig schwierig einen Weg hindurch zu finden. Hindurch mußten sie aber, denn durch die silbernen Stämme konnten sie die Häuser der Siedlung erkennen. Einen Weg gab es aber nicht, der dort hin geführt hätte. Saria stolperte oft, denn ihr Blick war stets nach oben gewandt. Die Äste waren so hoch oben. Am meisten faszinierte sie der eine flache Ast mit den scharfen Zacken. Sie hätte zu gerne gewußt, wie scharf diese Zacken wirklich waren. Und wenn sie unter den runden, gewölbten Ästen vorbei gingen, gab es so lustige Spiegelungen von ihnen, daß sie immer wieder richtige Lachanfälle hatten und sich auf dem Boden kugelten. Als sie der Siedlung nahe gekommen waren hielt Frak abrupt an.

"Seid mal still!" rief er in heiserem Flüsterton.

Alle anderen erstarrten in ihren Bewegungen und lauschten aufmerksam.

"Oh," meinte Vini verzückt, "klingt das aber reizend. Was ist das?"

In der ferne, aus der Richtung in der das Dorf lag, war eine feine Musik zu hören. Sie hatte einen metallischen Klang, aber es mußten feine, zierliche Instrumente sein, die sie hervorbrachten. Es gab eine filigrane Melodie, die unendliche Läufe zu spielen schien und andere Instrumente begleiteten die Melodie mit genau abgestimmten Harmonien. Die Melodie schien fast die Sinne zu benebeln und man wurde wie erstarrt, weil man verträumt den Klängen lauschen mußte. Ridogon war der erste, der seinen Kopf schüttelte, um sich wieder aus seinen Träumereien zu holen und dann meinte:

"Das klingt zwar unglaublich, aber wir sollten jetzt ins Dorf gehen. Vielleicht können wir dort auch die Musikanten sehen und ihnen dann zuhören."

Rasch setzte er sich in Bewegung. Dabei stieß er jeden der anderen vier mit der Schulter an, so daß auch sie zu erwachen schienen und hinter Ridogon her trippelten. Sie wanden sich um die glänzenden Stämme der Bäume herum, Mal stand hier ein dicker Stamm vor ihnen, an dem sie vorbei mußten, mal war dort einer umgefallen, über den sie klettern mußten. Immer wieder gab es Pfützen und matschige Stellen, durch die sie auf Zehenspitzen vorsichtig hindurch gingen. Oft dachten sie, daß sie die Siedlung schon dicht vor sich sehen könnten, doch dann entfernten sie sich wieder davon oder es war doch nicht das Dorf. Es zog und zog sich hin und Vini wollte schon zu jammern anfangen.