Kapitel 4: Wo suchen wir?

Eine Nacht hatten die fünf Freunde nun schon außerhalb des Dorfes verbracht und sie war bei weitem nicht so unheimlich, wie sie alle es sich vorgestellt hatten. Frak hatte in jeder Minute mit den Schnappwesen gerechnet, die in ihr Zelt eindringen würden, aber nichts dergleichen war passiert. Sie waren alle eingeschlafen und hatten sich gut ausgeruht. Den ganzen Tag waren sie stramm durch die Ebene marschiert. Dafür, dass die Sonne nicht schien, war es angenehm warm und sogar ein wenig hell gewesen und fast beschwingt und fröhlich waren die fünf über das Fusch gestapft. Hier und da wuchsen Büsche von Brilverz und die Monea-Blumen blühten gerade wunderbar glänzend und rund. Das einzige was ihre Freude trübte waren die vielen Brocken (Radiergummi) auf dem Fusch. Besonders Vini hatte Mühe mit ihren Füßchen die (Radiergummi) zu umgehen und stieß sie sich oft. Bald taten ihr alle weh. Als es dunkler zu werden schien, beschlossen sie ihr Lager zu errichten und Frak rannte wegen der Schnappwesen hektisch herum. Bei aller Sorge um diese, beschlich Milo aber eine andere viel größere Sorge. Er wußte überhaupt nicht wohin er sich wenden sollte. Schlimmer noch, er hatte sich noch nie außerhalb des Dorfes befunden und deswegen wußte er gar nicht wie er sich orientieren sollte. In ihm reifte die Erkenntnis, dass sie sich schon bald hoffnungslos verlaufen würden. Doch die Müdigkeit, hervorgerufen durch das viele Laufen, kam bald über ihn und alle Sorgen wurden zugedeckt. Nur der nächste Morgen brachte leider alle quälenden Fragen und Gedanken wieder zurück. Saria hatte ein Frühstück aus frisch gepflücktem Fusch zubereitet und alle anderen ließen es sich schmecken, nur Milo stocherte mutlos in seiner Schale herum. Ridogon bemerkte es als erster.

"Was ist los Milo? Iß doch, wir müssen heute noch weit laufen." sagte er und auch die anderen sahen nun auf und schauten Milo fragend an.

Dieser sah kaum auf, stocherte weiter und brummelte sich etwas zurecht. Als er die Blicke der anderen nur zu deutlich spürte, seufzte er gereizt und hob dann doch den Kopf.

"Das ist es ja! Weit laufen!" schimpfte er fast.

Die anderen blickten sich irritiert und ratlos an. Was hatte Milo denn gestochen? Milo sprang auf.

"Jetzt sag mir mal einer von euch... habt ihr denn einen Plan, wohin wir eigentlich laufen sollten? Oder wie wir wissen können, wo wir sind? Schon morgen werden wir uns verlaufen haben."

Mißmutig schoß er ein Stück (Radiergummi) mit einem Fuß weg, das klirrend in einem kleinen Brilverzbusch landete. Vini sah Saria an, diese drehte mit hilfesuchendem Blick ihren Kopf zu Frak und Ridogon. Frak zuckte mit den Schultern, erhob sich ebenfalls und trat zu Milo.

"Nun, sei nicht so ärgerlich." meinte er freundschaftlich und knuffte Milo in die große Nase.

Dieser wollte sich aber nicht beruhigen lassen. Wenn er sich verlaufen würde, dann würden ihn mit Sicherheit die Schnappwesen bald holen und wie konnte er seinem Bruder dann noch eine Hilfe sein!? Er schubste Frak ein wenig von sich weg.

"Milo, du bist nicht der einzige, der sich darüber Gedanken macht, hilft dir das? Hier... ich dachte, daß wir uns jetzt, nachdem wir gegessen haben zusammen setzen und unser Wissen über Außerhalb aufschreiben. Damit versuchen wir dann eine ungefähre Karte zu malen und dann entscheiden wir, in welche Richtung wir uns am besten Wenden sollten. Meinst du das wäre vielleicht ein Plan?"

Milo brummelte immer noch. Eigentlich wollte er sich gerade nicht aufheitern lassen. Und überhaupt, er führte die Gruppe an. Lösungen für Probleme sollten von ihm kommen nicht von den anderen. Er wollte gerne schmollen, aber er konnte nicht. Er war schon nahe dran zu schmunzeln. Die Bürde alles alleine entscheiden zu müssen und alleine Lösungen zu entwickeln wäre doch eh zu groß. Und wozu hatte er denn sonst seine Freunde mit genommen? Mit einem unterdrückten Grinsen knuffte er Frak auch in seine Knubbelnase und sie setzten sich wieder zu den anderen.

"Also... was wissen wir denn über Außerhalb?" fragte Saria und zückte einen Stift und ein Pergament.

Alle überlegten und schauten vor sich hin. Ridogon scharrte mit seinen zehn Füßchen im Fusch, Vini pulte an ihren Fingern, Milo kratzte sich an der Nasenspitze, Saria klopfte mit dem Stift auf das Pergament und Frak wippte mit dem Kopf von der rechten auf die linke Seite und wieder zurück. Zum Glück dauerte das peinliche Schweigen nicht lange. Vinis Miene hellte sich auf und dann sprudelte es aus ihr heraus.

"Ich erinnere mich! Mein Opa hat mir mal eine Karte gezeigt! Da sind die Flüsse, ich glaube es sind drei und dann die Ebenen und hier und da und da auch noch Wälder von Lofmega und so... ja und die Buckelfelder gibt es, ich glaube so hießen sie da. Weiß jemand ob es Sisa oder Silsal...?" Vini stockte, als sie jetzt in die irritierten Gesichter ihrer Freunde schaute.

Sie hatte mit ihrem Finger in der Luft gemalt und hatte gar nicht darauf geachtet, ob ihr jemand folgen konnte, vor allem Saria, die ja alles aufschreiben wollte.

"So, noch mal langsam." meinte diese schmunzelnd und rückte zu Vini.

Vini zeigte ihr nun auf dem Papier und erklärte alles langsam und deutlich. Die Karte, die nun entstand war ein guter Anfang. Frak fielen auch ein paar Details von seinem Vater ein, der mal eine längere Reise unternommen hatte und ihm viel davon erzählt hatte. Nur Milo und Ridogon konnten keine Erinnerungen zu der Karte beisteuern. Als alles fertig gemalt und beschriftet war saßen sie brütend über der Karte. Wieder entstand eine peinliche Pause, in der jeder versuchte den anderen heimlich zu beobachten, ob dieser schon eine gute Idee hätte. Keiner traute sich es auszusprechen, als sich Milo dann seufzend ein Herz faßte.

"Aber was ist da ganz oben? Hinter den Buckelfeldern? Wie fließen die Flüße da und überhaupt... kommen wir da hin?"

Die anderen seufzten auch.

"Ist das denn wichtig?" fragte Frak.

"Ich weiß es nicht genau. Was wenn wir da oben hin müssen?" entgegnete Milo achselzuckend.

Alle seufzten wieder und schauten erneut zur Karte. Milo ging vieles durch den Kopf, aber nichts war hilfreich. Der obere Teil der Karte fehlte und sie mußten damit klar kommen. Ja, sie mußten es, denn Temeo brauchte ihre Hilfe. Wenn sie es nicht taten, dann würde es kein anderer tun, also mußten sie da durch, egal ob mit oder ohne vollständige Karte. Temeo... als der Name seines Bruders durch seinen Kopf hallte, seufzte Milo traurig und schniefte ein paar mal. Dann rieb er sich entschlossen die Nase ab.

"Also wir machen das so!" sagte er bestimmt. "Wir gehen jetzt erstmal da nach unten zu den Lofmega-Wäldern. Frak, du hast erzählt, daß dein Vater dort mal eine Sockitotten-Siedlung besucht hat. Vielleicht gibt es sie ja noch und wir können uns dort ausruhen, Nahrung aufnehmen und weitere Informationen für unsere Karte herausfinden."

Die anderen vier waren gleich einverstanden. Sie zogen die Jacken an und schulterten beschwingt die gepackten Rucksäcke. Mit großen Schritten marschierten sie los. Sie hofften, daß sie die Hälfte des Weges heute noch zurück legen konnten.